Panisch,
der Aufschrei der Frau. Sie brennt!
Fast unbeweglich sucht sie Schutz in einer dunklen Hausnische, dicht
gedrängt in einer Menschengruppe. Es ist Nacht.
Ein kleiner Funke auf ihrer Nylonjacke lodert in Windeseile zur Flamme
auf. Kinder springen auf und schreien in die Menge. Ängstlich drücken
sie sich an die Körper ihrer Mütter. Männer reißen
sich die Pullover vom Leib und ersticken die Flammen der brennenden
Frau.
Unaufhörlich rieselt Feuerregen auf uns herab. Teufel mit funkensprühenden
Mistgabeln und feuerspeiende Bestien schieben die flüchtenden Menschen
vor sich her. Immer wieder versuchen Jugendliche den Flammen zu trotzen
und Teufel und Bestien mit Sitzblockaden zu stoppen. Die Szenerie in
den engen Altstadtgassen der Stadt wirkt gespenstisch.
Aus einer Seitengasse quellen erneut Menschenmassen. Ätzender Qualm
und ohrenbetäubender Lärm kommen immer näher. Teufelsgruppen
und Bestien strömen aus den engen verwinkelten Gassen zur Plaza.
Wie in Trance schlagen sich die Timbalers auf ihren Trommeln die Hände
wund. Immer wieder springen Menschengruppen mit Strohhüten und
Gesichtsschutz bewappnet unter den Feuerregen der Teufel und tanzen
sich in Ekstase. Qualm, Lärm und Schwefelgeruch werden fast unerträglich.
Meine ungeschützten Arme brennen von den Funken. Die quer über
die Plaza gespannten Feuerwerksstrippen werden entzündet. Ich dränge
mich Leib an Leib mit wildfremden Menschen in einen Hauseingang. Eine
gleißende brennende Masse ergießt sich über unsere
Köpfe. Der Platz verwandelt sich in eine Höllenschlucht.
Hier endet das stundenlange Feuerspektakel.
Jugendliche springen auf, auch die, denen das Feuer keine Löcher
in die alten Klamotten gebrannt hat und rennen zum nächsten Haus.
Sie werfen den Kopf in den Nacken und schreien zu den Balkonen hinauf:
„Aigua! Aigua!" Der Inhalt bereitgestellter Eimer ergießt
sich über die jauchzenden Köpfe. Noch lange schallt der Ruf
nach Wasser durch die Nacht des correfoc, der Nacht des Lauffeuers der
Teufel.
Dieser, für uns befremdliche, hektische und unheimliche Wahnsinn
ist in Katalonien einmal im Jahr normal.
Mit dem September kehren die Menschen aus den Ferien in die Städte
zurück und der Alltag beginnt. Fast alle Orte, angefangen von der
Metropole Barcelona bis hin zum kleinsten Bergdorf, feiern ihre festes
major. Einer der Höhepunkte des mehrere Tage dauernden „Hauptfestes"
ist die Nacht des correfoc.
Die
festes major bieten meist ein reichhaltiges Programm. Auf allen klassischen
Plätzen der großen Städte werden Bühnen errichtet:
von Rock, Blues, Ska, Hip Hop, Funk, Jazz, KLassik bis hin zu Volksmusikklängen
findet sich alles.
La Merce ist noch ein junges Fest. Nach dem Tod Francos bot sich endlich
wieder die Möglichkeit, gemeinsam zu feiern. Ein Fest für
jene, die normalerweise keine "Macht" haben - sie übernehmen
für ein paar Tage die Straßen. Den Fremden verblüfft,
wie generationsübergreifend, offen und heiter gefeiert wird. Selbst
die sozialen Schichten scheinen aufgehoben, wenn auf der Placa Reial
die Neureichen aus der Oberstadt mit den Junkies und Armen zur Livemusik
tanzen, lachen und sich freuen - die heilige Mercedes macht's wohl möglich
;-)
Termine:
Barcelona "La Merce" 3. Septemberwoche
Tarragona "Santa Tecla" 3. Septemberwoche
Tortosa "La Cinta" 2. Septemberwoche